Gedanken zum Abriß des Schlachthofgeländes in Wiesbaden

(English at the bottom, but it is of a different text by Manuel, about the book, video, etc..) If you know who did some of these pieces, please send the info to us so we can give proper credit.

Photos and German article by Carolyn Steinat. English version (no photos).

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A) Allgemeines

Mein Anliegen, mich hier zu Wort zu melden, ist der Abriß des Schlachthofgeländes in Wiesbaden, der am 18. Juni 2001 begann. Dieser Platz, der unter anderem Graffiti-Writern als große Hall of Fame diente und auf dem seit nun mehreren Jahren das Ihnen sicherlich bekannte "Wall Street Meeting" stattfand wird nun mit Hilfe von vielen Baggern und anderen Abriß-Gerätschaften dem Erdboden gleichgemacht.

Als sicherlich einer der interessantesten und vielfältigsten Kulturräume mit internationalem Ruf, war der Schlachthof ein zentraler und wichtiger Raum für künstlerisches Schaffen (Bandproben, Graffiti etc.) und für sportliche Aktivitäten (Skateboarden etc.) der Jugend in und um Wiesbaden. Mit viel Eigeninitiative der Jugendlichen und mit dem Engangement seitens ehrenamtlicher Mitarbeiter wurde für die jugendliche Phantasie und Kreativität ein Platz der freien Entfaltung -jenseits der Nationalität und Hautfarbe- geschaffen.

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Leider wird nun dieser "konsumbefreite" Raum, in dem kreative Energien auf vielfältigste Weise ihren berechtigten Ausdruck finden konnten, nun Platz machen müssen für wirtschaftlich gesehen interessantere Nutzungsmöglichkeiten, wie beispielsweise einen gebührenpflichtigen Parkplatz.

B) Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit

Die Intention dieses Artikels ist es, unter anderem auch ein Toleranzgefühl für das Graffiti-Writing als eine künstlerische Form der Darstellung von Gedanken, Wünsche, Ideen, des gewaltfreien Protests und als Art der Kommunikation zu schaffen, die nicht pauschal als Vandalismus reduziert werden kann.

Die international verbreitete Subkultur der HipHop-Graffitimaler zeichnet sich meines Erachtens durch ihre Vielseitigkeit aus. Dabei zählt hier nicht, wer Du bist im Bezug auf Deine Nationalität, Deine Hautfarbe oder Dein Geschlecht, sondern ausschließlich was Du kannst im Bezug auf das Graffiti-Writing.

Diese Haltung ist wohl grundlegende Voraussetzung toleranten Miteinanders und wird durch solche repressiven Aktionen wie dem zur Zeit erfolgende Abriß des Schlachthofgeländes und der "zero-tolerance"-Taktik in Frankfurt negiert. Die dadurch repräsentierte Haltung der Zuständigen, welche gerade in der heutigen Zeit z.B. der Europäisierung nicht nachvollziehbar ist, zeigt die Tendenz einer zunehmenden Kriminalisierung der betroffenen Jugendlichen.

Diese Form der Kunst wurzelt nun mal in dem Drang nach Größe und in dem Gedanken der Sichtbarkeit für alle. Graffiti, so erklärt auch der Experte Hinrichsen, entstehen im Volk und brauchen die "Volks-Bühne" -wie auch der Schlachthof repräsentierte- zur permanenten Exposition. Wird der legale Raum nun erneut ins Minimale reduziert, zwingt dies die Jugendlichen dazu, sich nach anderen Möglichkeiten und Plätzen für ihre Kunstform umzuschauen. Welche Möglichkeiten haben sie in diesem Falle?

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Die im Moment leider vorherrschende Stimmung der Bürgervertreter wird wohl auch in folgendem Zitat amerikanischer Graffiti-Gegner deutlich: "Destroy the romantic myth that graffiti writing is a harmless act...it is predictable that a young graffiti writer will become a criminal...graffiti writing is a school for crime. (...) (Graffiti( is a symbol that we have lost control. If we are to regain control of our system, we must have the assistance of the media in portraying graffiti for what it is - vandalism." (Dennant 1997: 15) Die Meinung wird propagiert, daß jegliche Graffiti zur Grundlage einer kriminellen Karriere der Jugendlichen führen muß.

So werden die Jugendlichen -bewußt oder unbewußt- in die Kriminalität gedrängt. Wurden hier in Wiesbaden jedoch nicht vielmehr auf aktive und kreative Weise farbenfrohe Kunstwerke geschaffen, welche die triste Architektur dieser Stadt verschönern sollten und die grauen Wände des ehemaligen Schlachthofes zur Freude der Mitbürger zu einer großen "Galerie" transformierten - und das "ganz umsonst"? Diese Bilder sind hierbei kein Eigentum von irgend jemandem worin wohl die wahre Kraft der Graffiti und Einzigartigkeit liegt. Könnten die Bilder und Schriften der Writer unter diesem Gesichtspunkt nicht vielmehr als eine konstruktive Reaktion auf die Unwirtlichkeit der Städte, die Tristesse der Betonwände oder die Transformation aller Dinge in Waren angesehen werden?

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Graffiti wendet sich in dieser theoretischen Perspektive gegen die totale Marktwirtschaft des Kapitalismus, der in alle gesellschaftlichen Lebensbereiche eingreift und dem Individuum außerhalb der Waren- und Konsumsphäre meiner Ansicht nach wenig Raum für "irrationale", nicht auf Gewinn ausgerichtete Kreativität und Phantasie läßt. Die an Hip Hop und speziell an Graffiti interessierten Jugendlichen wollen sich gerade aktiv an dieser Kulturform beteiligen und wollen sich nicht länger mit aufbereiteten, leicht konsumierbaren Freizeitangeboten der Industrie abspeisen lassen. Die Graffiti spiegeln so im Grunde auch den Zwiespalt einer Gesellschaft wieder, die sich in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen einer anzustrebenden "Glitzerwelt" und der davon oft sehr abweichenden Realität für die Jugendlichen befindet: So schreibt auch der Graffitisachverständige Ferrell in seiner Analyse des Graffiti: "The coincidence of youth, style and crime - this criminalization of youth - develops therefore out of the politics of youth, out of the relative powerlessness and marginality of the young, and out of the particulars of their resistance to this." (Ferrell 1993: 194)

Wurden hier auf dem Schlachthofgelände nicht die Kräfte und Phantasien der Jugendlichen auf konstruktive Weise gebunden, die eventuell von Gewalttaten anrichten könnten? Für Jugendliche war es in meinen Augen sicherlich eine wichtige Alternative zu sonstigen -vielleicht mitunter selbstzerstörerischen- Aktivitäten.

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War das Bemalen von Wänden des weiteren nicht im Grunde immer schon eine Form der Kommunikation und des Gedankenaustauschs, wie dies auch der Wiener Graffiti-Forscher Norbert Siegl propagiert? Es ist wohl allgemein nachvollziehbar, daß die Menschen schon immer einen Drang verspürten, sich auf ihre spezifische Weise auszudrücken und sich auf ihre Weise der Welt mitzuteilen und sei es durch das Bemalen grauer Wände.

Es sollte unter diesen Aspekten den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Gedanken auf deren eigene Weise auszudrücken. In einer urbanen Gesellschaft, in der die Anonymität immer stärker und erfahrbarer wird ist es wichtig, seine Persönlichkeit, seine Seele, sein Herz in Form von Selbstgeschaffenem auszudrücken. So versucht der Writer durch die individuelle Art der Graffiti-Markierung, die jedoch im Kollektiv stattfindet, der allgemeinen Anonymisierung zu entgehen und sich eine Art Heimat im Stadtdschungel zu schaffen.

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In einem Kulturkreis verständigen und definieren sich die Menschen meines Erachtens gerade über die Sprache, eine Stimme verleiht einem Identität, so wie ein selbst angefertigtes Bild als eine Art "Sprache der Kunst" den Malern ihre Identität verleiht. Das Writing als Kommunikationsform wird hier zum grundlegenden Medium des Dialogs zwischen dem Individuum und seiner Umwelt und hinterläßt eine individuelle oder auch kollektive Spur, da dies die Herstellung einer Identität im räumlichen Koordinatensystem der Stadt ermöglichen kann.: "To pour your soul onto a wall and be able to step back and see your fears, your hopes, your dreams, your weakness, really give you a deeper understanding of yourself and your own mental state" bemerkt bezeichnenderweise der Sprüher Coda.

So wollen meiner Ansicht nach auch die Graffiti-Writer durch ihre Bilder ihre eigene Existenz behaupten, individuelle Lebenszeichen setzen und ihr Lebensgefühl durch die spezifische Art der Veröffentlichung stärken.

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Nur dadurch konnte eine solche "Kunstgalerie" ungeheuren Ausmaßes, wie sie in Wiesbaden zu sehen war, überhaupt entstehen.

Doch der Schlachthof als ein Raum, der diesem Drang und kreativen Streben seinen berechtigten Platz geben konnte wird nun dem Erdboden gleichgemacht, als wäre er nie dagewesen. Der im Augenblick laufende Abriß ruft ein Gefühl der Trauer, der Enttäuschung, der Verärgerung hervor. Keiner kann einem diesen Raum zurückgeben, wo sich Maler aus aller Welt trafen, um Erfahrungen auszutauschen und weiterführende Einflüsse mit nach Hause genommen werden konnten. So geht mit diesem Abriß auch eine nur selten existierende Vielfältigkeit an Kunstwerken verloren. Es ist ein großer Verlust für alle Betroffenen. Es ist dennoch klar, daß die Abrißbirnen dieser Kulturform keinen wirklichen Einhalt gebieten können. "Color never dies".

C) Schlußplädoyer

Die Frage bleibt, wo und in welchem Rahmen Alternativen gefunden werden können, so daß diese schaffensorientierte Jugend auch in Zukunft einen Raum für die Verwirklichung ihrer Interessen findet? Es muß doch ein öffentliches Interesse vorhanden sein, diese sehr junge Form der Bildenden Kunst zu fördern. Über Geschmack läßt sich zwar streiten. Doch es muß hier deutlich gesagt werden, daß neuartige Kunstformen schon immer zu Anfang auf die Mißbilligung der Massen stießen. Es muß jedoch gerade die Aufgabe der Kunst sein, immer neue Ausdrucksformen der Kreativität zu suchen und hierbei von den alten, festgefahrenen Kunstformen abzuweichen. Dieser Sachverhalt läßt sich wohl auf die Graffitis übertragen. Die Personengruppen, die das Writing lediglich als eine Sachbeschädigung ansehen, vergessen offensichtlich, daß hinter vielen dieser Bilder Arbeit, Zeit und ein hoher Energieaufwand liegt.

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Auf welchem Wege wird nun die Stadt Wiesbaden weiterhin wegweisend bei der Unterstützung des ungemein großen Potentials von kreativem Engangement -wie sich viele Bürger bei einem Besuch des Schlachthofgeländes versichern konnten- und von gewaltfreiem Miteinander der Jugendlichen bleiben?

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Ich denke, es wird im Interesse vieler Eltern, sowie kunst- und sportinteressierter Bürger in und um Wiesbaden sein, schnellstmöglich eine Lösung für diese Problematik zu finden und ihre Jugend in ihrem Schaffen weiterhin zu unterstützen! Die Volksvertreter sind hier sicherlich dazu aufgefordert, ihren notwendigen Beitrag dafür zu leisten.


International WallStreetMeeting
Wiesbaden, Germany

The Past

Five years of WallStreetMeeting with more than 25.000 visitors from all over Germany, Europe and the world have shown the high potential and quality of the international Graffiti- and Hip-Hop-scene. Throughout all countries people are saying that this festival is the best event ever happened. Because of its uncommercial and authentical style, but also because of its message ("youth-culture needs space for expression") hundreds of artists have come to the Meeting to leave their signs of skill. We wanted to put an accent against the plan of the city-council to tear this unique meeting-point down. We demanded the maintenance of this last huge Graffiti-Hall-Of-Fame and the recultivation of the empty buildings in a social and cultural sense. That's the past. In the summer of 2001 the city started to tear down the halls and walls. Even if it looks like we failed, we did Not! But even though the city has torn down some of the walls, a couple of hundred squaremeters are still there. So if you want to visit Wiesbaden: you can still leave your sign at he famous Schlachthof.

The Present

A group of young and dedicated people formed an association ("Interessengemeinschaft Schlachthof fur die Jugend") in October of 2001 that demands a youth- and culture-park at this area including a huge skating-hall, an aerodynamical graffiti-gallery, basketball-court and much more. This group wrote a concrete and precise concept and strategy and wish to have any kind of support for this project. So, please, spread the word of what's going on here and help to support to get huge publicity. Changes start with engagement and idealism! Be political and act political, because the future belongs to those who care! It's up to us all.

Public Discussion

Presently this association organises a public discussion with local politicians and cultural associations that will happen at the 13th of February 2002 at the Schlachthof-culture-center. It will start at 20.00h. The theme: "About the value of youth-culture in politics and society".

Demonstration

Presently this group is also busiy with the organisation of a public demonstration that shall documentate the worth of this unique place to youth and young people from all over the region, Germany and the world. The date is not confirmed yet, but it shall happen at the 22nd of March 2002. Meeting-place will be the Schlachthof at 15.00h. A van with soundsystem and Rappers will lead the way to the residence of the city-council.

The Book Of Its History

The immense reputation and fame of the Meeting throughout the whole world, but also the fact that the WallStreetMeeting will never happen the same style at the Schlachthof as in the past, lead us to the idea to collect material and to publish a book around Autumn of 2002. It shall documentate every single event with photos of artworks being done here, the parties and the people, interviews and statements, but also the mind behind the organisation and the politics. As in the five years hundreds of artworks were done here, it was too much for our photographers to catch it all. So once again we ask for support. Please send photos, statements, whatever to the mentioned at the end. As we want to print the book in a high-quality we can not use any photos being sent as e-mail. When you send material, do not forget to authorize us to print it, so please write "o.k. to publish" on the backside.

The Video

This project will documentate the Meeting in two parts: WallStreetMeeting 1997-1999 and 2000-2002, containing painting-actions, the parties and concerts, interviews, statements, media-reqctions and special features. It shall come out around Autumn of 2002. If you have film-material, we appreciate if you could send us copies and authorize us to use it. We are especially looking for material of the night-actions close to the rail-tracks of the Meeting in 2000 (you know what's up) as well as material from the very first three Meetings.

Future Projects

Presently we are also busy organising an exhibition of the WallStreetMeeting. As in 2002, a Meeting in the style of the past won't happen. The exhibition will show all past events. During the opening-party we will have some Rap-Acts, Breakdancing and pianting of canvas. Please notice that public painting-actions won't be possible due to the lack of wallspace. This event shall happen at the end of April 2002 at the Schlachthof.

If everything works out, we will bring you a new dimension of Graffiti-Hip-Hop-Jams. If you are a Rapper, Breaker, DJ or Writer and generally interested in participating connect us and send stuff and demos!

We know we founded something special and unique and are out to continue in our work for evolution and change. Respect each other and unite, because: together we stand, divided we ... Stay tuned and spread the word!

Peace out,
WallStreet-Staff

c/o S8Yard
the Graffiti-Hip-Hop-Base in Rhine-Main-Area
Bl cherstra e 27
65195 Wiesbaden
Germany

0049-(0)611- 40 50 209
Manuel@WallStreetMeeting.de
wallstreetmeeting.deThis site will be reconstructed around March 2002!

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